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Verständnis und Anwendung von Filmbildenden Aminen: Analytische Methoden und bewährte Verfahren


Zusammenfassung 

Filmbildende Amine (FFAs) sind zu einer zentralen Technologie im Schutz industrieller Dampf- und Wassersysteme geworden. Ihre Fähigkeit, eine hydrophobe Schicht auf Metalloberflächen zu bilden, bietet einen verbesserten Korrosionsschutz und trägt zur Betriebssicherheit bei. Dieser Artikel untersucht die grundlegenden Prinzipien von FFAs, ihre Klassifizierung, ihr chemisches Verhalten sowie praktische Richtlinien für ihre Anwendung. Ziel ist es, eine strukturierte technische Ressource bereitzustellen, die Betreiber bei der Auswahl, Implementierung und Optimierung von FFAs für unterschiedliche Systembedingungen unterstützt.


Einleitung 

Filmbildende Amine (FFAs) werden in industriellen Wasser- und Dampfsystemen weit verbreitet eingesetzt, da sie Schutzschichten auf Metalloberflächen bilden und so Korrosion verhindern. Ihr Einsatz reicht von Kernkraftwerken über fossile und Biomassekraftwerke bis hin zu industriellen Dampferzeugern sowie geschlossenen Kühl- und Heizsystemen. Aufgrund der zunehmenden Anforderungen an flexible Kraftwerksbetriebe und verbesserte Erhaltungsstrategien haben FFAs erheblich an Bedeutung gewonnen.


Trotz ihrer Vorteile war die Terminologie rund um FFAs lange uneinheitlich. Internationale Richtlinien haben mittlerweile eine klare Struktur geschaffen. Filmbildende Amine bezeichnen die aktiven Substanzen, die Schutzschichten bilden. Filmbildende Aminprodukte hingegen sind kommerziell erhältliche Formulierungen, die FFAs enthalten und oft mit weiteren Additiven wie Alkalisierungsmitteln oder Dispergatoren kombiniert werden. Eine weitere Kategorie bilden filmbildende Produkte, die keine FFAs enthalten, aber ähnliche Schutzwirkungen entfalten. Diese Klassifizierung erleichtert das Verständnis der verschiedenen Produkte und hilft Betreibern, fundierte Entscheidungen bei der Wahl der richtigen Behandlungsmethode zu treffen.


Unterschiede zwischen FFAPs und FFP
Unterschiede zwischen FFAPs und FFP (©Dooley / Addison; IAPWS FFS Symposium; September 2021)

Chemisches Verhalten und Wirkmechanismus

Die Schutzwirkung von FFAs basiert auf ihrer chemischen Affinität zu Metalloxidoberflächen. Nach der Einspeisung in ein System verteilen sich FFAs in der Wasserphase und migrieren zu exponierten Metallflächen. Der Adsorptionsprozess erfolgt in zwei Phasen. Zunächst haften FFAs über polare Wechselwirkungen an Metalloxidoberflächen und bilden einen locker gebundenen monomolekularen Film. Durch kontinuierliche Dosierung erfolgt eine Mehrschicht-Adsorption, wodurch eine stabile und diffusionsresistente hydrophobe Schutzschicht entsteht. Diese Barriere verringert den Sauerstoffeintrag und hemmt die Korrosion durch Reduzierung des Ionentransports.


Neben dem Korrosionsschutz bieten FFAs weitere Vorteile. Einige FFAs bilden Komplexe mit Chloridionen, wodurch diese von den Oberflächen entfernt und Korrosionsrisiken minimiert werden. Mit der Zeit führen FFAs zu einer allmählichen Entfernung poröser Oxidschichten, wodurch eine gleichmäßigere und glattere Oberfläche entsteht, die die langfristige Haltbarkeit verbessert. Darüber hinaus beeinflussen FFAs die Oberflächenspannung, was zu einer Verringerung der Tröpfchengröße in Kondensationsbereichen führt. Dies verbessert die Turbineneffizienz und verringert die Erosion.


Wie Filmbildende Amine (FFAs) wirken
Wie Filmbildende Amine (FFAs) wirken

Anwendungsrichtlinien und internationale Standards

Die effektive Anwendung von FFAs erfordert die Einhaltung etablierter Richtlinien. Vor 2016 führte das Fehlen unabhängiger Standards zu einer uneinheitlichen Nutzung in verschiedenen Branchen. Seitdem haben internationale Organisationen umfassende Richtlinien veröffentlicht. Die IAPWS TGD 8-16 bietet technische Leitlinien für den Einsatz von FFAs in fossilen, kombinierten und Biomassekraftwerken, während die IAPWS TGD 11-19 speziell auf industrielle Dampferzeuger zugeschnitten ist. Die jüngste VGB S-010-2023-Norm hat zudem FFAs in die Spezifikationen für Speisewasser- und Dampfqualität aufgenommen.


Diese Richtlinien enthalten Informationen zu Baseline-Überwachung, Dosierungsstrategien und analytischen Methoden und gewährleisten, dass FFAs effektiv angewendet werden, ohne betriebliche Risiken zu erhöhen. Sie bieten eine strukturierte Grundlage für die Anwendung und ermöglichen es Betreibern, Behandlungsprogramme optimal auf ihre jeweiligen Systeme abzustimmen.

 

Implementierung und betriebliche Überlegungen 

Die erfolgreiche Anwendung von FFAs erfordert eine sorgfältige Bewertung anlagenspezifischer Bedingungen. Faktoren wie die Metallurgie, Kondensatpolieranlagen und Kühlsystemkonfigurationen beeinflussen ihre Wirksamkeit. Verschiedene Legierungen reagieren unterschiedlich auf die Adsorption von FFAs, weshalb bei Kupfer-Kondensatoren spezielle Anpassungen notwendig sind, um unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden. Kondensatpolieranlagen können die FFA-Retention beeinflussen, sodass optimierte Dosierungsstrategien erforderlich sind. Während FFAs in Hochtemperatursystemen gut funktionieren, ist ihr Einsatz in offenen Kühlkreisläufen aufgrund von Verdampfungsverlusten eingeschränkt.


Dosierungsstrategien spielen eine entscheidende Rolle für die Effizienz von FFAs. Eine anfängliche Konditionierung mit kleinen, kontrollierten Mengen stellt sicher, dass sich der Schutzfilm allmählich bildet, und verhindert Überdosierungseffekte. Eine kontinuierliche Dosierung stabilisiert die FFA-Konzentration, während eine intermittierende Dosierung oft für Erhaltungszwecke geeignet ist. Die Auswahl geeigneter Einspeisepunkte verbessert die Verteilung der FFAs innerhalb der Dampf- und Wasserwege und maximiert so deren Schutzwirkung.


Die analytische Überwachung ist essenziell, um die Leistung von FFAs zu bewerten. Photometrische Analysen werden häufig zur Bestimmung der Rest-FFA-Konzentration eingesetzt, während Tests zur Oberflächenhydrophobie eine qualitative Bestätigung der Filmformierung liefern. Korrosionsratenmessungen helfen dabei, die langfristige Systemleistung zu überwachen und die Effektivität der Schutzschicht zu beurteilen.

 

Herausforderungen und Einschränkungen

Trotz ihrer Vorteile bringen FFAs auch Herausforderungen mit sich, die sorgfältig gemanagt werden müssen. Bestimmte Formulierungen enthalten flüchtige organische Verbindungen (VOCs), die besondere Sicherheitsvorkehrungen erfordern. Zudem muss die Kompatibilität mit bestehenden Wasserbehandlungssystemen geprüft werden, um unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden. Eine häufige Herausforderung beim Einsatz von FFAs ist der Anstieg der Kationleitfähigkeit, der durch organische Amine verursacht wird. Dies erfordert eine sorgfältige Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der analytischen Parameter.


Auch die thermische Stabilität beeinflusst die Leistung von FFAs. Die Zersetzungsraten variieren je nach Formulierung und Betriebsbedingungen, sodass produktabhängige Bewertungen erforderlich sind. Ein tiefgehendes Verständnis dieser Einschränkungen ermöglicht es Betreibern, FFAs effektiv einzusetzen und mögliche Nachteile zu minimieren.

 

Fazit 

Filmbildende Amine haben sich als bewährte und technisch validierte Methode zum Schutz von Dampf- und Wassersystemen etabliert. Ihre Fähigkeit, hydrophobe Schutzschichten zu bilden, sorgt für eine erhöhte Betriebssicherheit, reduzierte Wartungskosten und eine größere betriebliche Flexibilität.


Die Einführung unabhängiger technischer Leitlinien hat wesentlich zur Standardisierung der FFA-Anwendungen beigetragen. Dennoch erfordert eine erfolgreiche Implementierung einen maßgeschneiderten Ansatz, der Metallurgie, Betriebsbedingungen und die Kompatibilität mit bestehenden Wasserbehandlungsprogrammen berücksichtigt. Durch die Weiterentwicklung analytischer Methoden und die Optimierung von Formulierungen werden zukünftige Fortschritte die Effizienz und Lebensdauer von Systemen weiter verbessern.


Autor

Ronny Wagner ist Geschäftsführer der REICON Wärmetechnik und Wasserchemie Leipzig GmbH. Als erfahrener Wasseraufbereitungsexperte ist er auf die Anwendung filmbildender Amine in Wasser-Dampf-Kreisläufen sowie geschlossenen Kühl- und Heizsystemen spezialisiert. Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Erhaltung von Kernkraft-, fossilen und Industrieanlagen hat er maßgeblich zur Entwicklung von Branchenstandards beigetragen. Als aktives Mitglied von vgbe und der IAPWS Power Cycle Chemistry (PCC) Gruppe war er an der Mitgestaltung internationaler Standards für die sichere und effektive Anwendung von filmbildenden Aminen in der Kraftwerkschemie beteiligt.

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