Filmbildende Amine: Konservierungsverfahren
- Björn Otto
- vor 9 Stunden
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Zusammenfassung
Die langfristige Konservierung von Wasser- und Dampfsystemen während Stillstandszeiten bleibt eine Herausforderung in industriellen Anwendungen. Traditionelle Methoden wie Stickstoffauflastung und Trockenkonservierung erweisen sich oft als ineffizient und unpraktisch. Filmbildende Amine (FFAs) bieten eine moderne Lösung zur Konservierung, da sie während Stillständen und Ruhephasen sofortigen Korrosionsschutz gewährleisten. Dieser Artikel beleuchtet den Einsatz von FFAs für die Konservierung, mit einem Schwerpunkt auf Dosierstrategien, Anwendungszeitpunkten und langfristiger Stabilität. Praxisnahe Fallstudien aus fossilen und Biomassekraftwerken zeigen die Effektivität von FFAs beim Erhalt der Systemintegrität während längerer Stillstandsphasen. Einleitung Die Konservierung von Wasser- und Dampfsystemen während Stillstandszeiten ist ein wesentlicher Bestandteil des Kraftwerksbetriebs. Korrosion kann unmittelbar nach dem Herunterfahren einsetzen, insbesondere in empfindlichen Bereichen wie Turbinenschaufeln, Kondensatoren und Dampfleitungen. Traditionelle Methoden wie Stickstoffauflastung oder Lufttrocknung erfordern erheblichen logistischen Aufwand und sind oft nicht effektiv genug für kurzfristige Stillstände oder ungeplante Abschaltungen. Im Gegensatz dazu bieten filmbildende Amine sofortigen Schutz, indem sie eine hydrophobe Barriere auf Metalloberflächen erzeugen und die Wasserchemie stabilisieren – ohne aufwändige mechanische Eingriffe.
Dieser Artikel untersucht den Einsatz von FFAs zur Konservierung, beleuchtet deren spezifische Eigenschaften, Dosierstrategien, Anwendungsorte und bewährte Verfahren zur langfristigen Korrosionsvermeidung. Unterstützt durch Fallstudien aus fossilen und Biomasseanlagen wird die praktische Wirksamkeit von FFAs beim Reduzieren von Korrosionsprodukten und der Verlängerung der Systemlebensdauer aufgezeigt. Der Bedarf an fortschrittlichen Konservierungstechniken Während einer Anlagenstilllegung beschleunigen Sauerstoffeintritt und stagnierende Bedingungen die Korrosion erheblich. Schon geringe Verzögerungen bei der Stickstoffauflastung oder der Systementleerung können Lochkorrosion und Oberflächenschäden auslösen. Besonders Turbinenschaufeln sind gefährdet, da sich Wasserfilme bilden können, die als Ausgangspunkte für Rissbildungen beim Wiederanfahren fungieren. Auch Kondensatorrohre und Vorwärmer erfahren bei unsachgemäßer Konservierung einen beschleunigten Materialverlust.
Filmbildende Amine begegnen diesen Schwachstellen, indem sie exponierte Oberflächen mit einer hydrophoben Schutzschicht überziehen, die Feuchtigkeit und Sauerstoff fernhält. Dank ihrer Flüchtigkeit verteilen sie sich gleichmäßig über Dampf- und Wasserwege und erreichen so auch schwer zugängliche Bereiche, die von herkömmlichen Methoden oft unzureichend konserviert werden. Zusätzlich ermöglichen FFAs einen nahtlosen Übergang vom Betrieb zur Konservierung, ohne dass aufwändige Abschaltprozeduren erforderlich sind – ideal für flexible Betriebsweisen.

Dosierstrategien und Anwendungszeitpunkte
Eine wirksame Konservierung mit FFAs beginnt in den letzten Betriebstagen. Durch schrittweises Erhöhen der FFA-Konzentration im Speisewasser und im Kondensatsystem wird bereits vor dem Herunterfahren ein Schutzfilm aufgebaut. So wird die Korrosion ab dem Moment der Abschaltung effektiv eingedämmt. Typischerweise werden Zielkonzentrationen von 2 ppm für eine vollständige Oberflächenabdeckung empfohlen.
Betreiber können die Konzentration je nach geplanter Stillstandszeit anpassen. Bei geplanten Abschaltungen ist ein kontinuierlicher Aufbau über 5 bis 10 Tage optimal. Bei ungeplanten oder schnellen Abschaltungen kann eine höhere Anfangsdosierung notwendig sein, um denselben Schutz zu gewährleisten. In solchen Fällen kann es ratsam sein, die Kondensatreinigungsanlage (CPU) vorübergehend zu umgehen, um Harzbelastungen zu vermeiden und eine effektive Filmbildung sicherzustellen.
Filmbildende Amine erweisen sich zudem in Situationen mit Teilentleerungen als wirkungsvoll. Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften bleibt der Schutzfilm auch in teilentleerten Systemen intakt, was die Lebensdauer von Komponenten verlängert, die teilweise Luft oder Restwasser ausgesetzt sind. Diese Fähigkeit schafft Flexibilität bei der Konservierungsplanung und reduziert den Bedarf an aufwändigen Trocknungsprozessen.
Langzeitstabilität und Reaktivierung
Ein wesentlicher Vorteil von FFAs in der Konservierung ist ihre langfristige Stabilität. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, die eine regelmäßige Nachdosierung oder Überwachung erfordern, bleibt der hydrophobe Film, den FFAs erzeugen, so lange wirksam, bis mechanische Schäden oder thermische Belastungen ihn beeinträchtigen. Diese Stabilität reduziert den Wartungsaufwand und minimiert die Überwachungskosten, was zu einer erhöhten Effizienz im Betrieb führt.
Darüber hinaus können FFAs beim Wiederanfahren ohne aufwändige Neuapplikation reaktiviert werden. Beim Übergang in den Betriebsmodus bleibt die Aminschicht erhalten und schützt weiterhin vor Korrosion. Dadurch wird der sonst übliche, plötzliche Anstieg an Eisen und Korrosionsprodukten, der typischerweise beim Wiederanfahren auftritt, deutlich reduziert.

Fallstudien:
Bewährte Wirksamkeit in der KonservierungFossiles Kraftwerk (Deutschland)
Ein kohlebefeuertes Kraftwerk in Deutschland mit einer Leistung von 2200 Tonnen pro Stunde stand vor der Herausforderung, Korrosion während der Standby-Zeiten zu minimieren. Herkömmliche Konservierungsmethoden reichten nicht aus, um Eisentransport und Lochkorrosion wirksam zu verhindern. Nach der Umstellung auf ein FFA-basiertes Konservierungskonzept sanken die Korrosionsraten erheblich, und der Eisenanfall reduzierte sich beim Wiederanfahren um 70 %. Visuelle Inspektionen bestätigten die Bildung einer gleichmäßigen, glatten Magnetitschicht, die einen verbesserten Schutz bot.
Biomasseanlage (Schweden)
Eine Spitzenlast-Biomasseanlage in Schweden hatte Schwierigkeiten, ihre Speisewasser- und Turbinensysteme während saisonaler Stillstände zu schützen. Durch die Implementierung eines FFA-Konservierungsprotokolls konnte die Anlage eine vollständige hydrophobe Abdeckung erreichen – selbst in teilentleerten Systemen. Nach zwei Jahren saisonalen Betriebs zeigten endoskopische Inspektionen saubere, korrosionsfreie Oberflächen mit stabiler Magnetitbildung, was die Langzeitzuverlässigkeit der FFA-Anwendung bestätigte.
Fazit
Filmbildende Amine haben die Verfahren zur Konservierung von Wasser- und Dampfsystemen neu definiert. Ihre Fähigkeit, während Stillstandszeiten sofortigen und zuverlässigen Schutz zu bieten, minimiert Korrosionsrisiken und verlängert die Lebensdauer kritischer Komponenten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden ermöglichen FFAs einen nahtlosen Übergang zwischen Betrieb und Stillstand, ohne komplexe Entwässerung oder Stickstoffauflastung. Mit den richtigen Dosierstrategien und anlagenspezifischen Einspeisepunkten bieten FFAs eine moderne, effiziente Lösung für die langfristige Konservierung von Systemen.

Autor
Ronny Wagner ist Geschäftsführer der REICON Wärmetechnik und Wasserchemie Leipzig GmbH. Als erfahrener Experte für Wasserbehandlung ist er auf den Einsatz filmbildender Amine in Wasser-Dampf-Kreisläufen sowie in geschlossenen Kühl- und Heizsystemen spezialisiert. Mit über 15 Jahren Erfahrung in der Erhaltung von Kernkraft-, fossilen und Industrieanlagen hat er entscheidend zur Weiterentwicklung anerkannter Branchenstandards beigetragen. Als aktives Mitglied von vgbe und der IAPWS Power Cycle Chemistry (PCC) Gruppe war er an der Ausarbeitung internationaler Leitlinien für den sicheren und effektiven Einsatz filmbildender Amine in der Kraftwerkschemie beteiligt.